Fünf mythische Gedichte. Aus den Metamorphosen des Ovid
Vorwort
Wie herzlich gern ich von dir schied
einst in Pennälertagen,
du alter elender Ovid,
das mag so schlimm ich garnicht sagen.
Du aber - welch ein Unterschied -!
willst fast nach zwanzig Jahren,
ein junger ewiger Ovid,
dich mir erst richtig offenbaren.
Ins Deutsche form' ich mir dein Lied,
ein Schüler noch mit spätem Fleiße,
froh, daß ich dich und mich, Ovid,
nun doch erlöst vom Paukersteiße!
Die Schöpfung
Die große Flut
Jupiter aber beschloß,
das Menschengeschlecht zu vernichten,
weil es in Freveln verkam,
und schickte vom Himmel die Sintflut.
Erst nun sperrte er ein
in des Äolus Höhlen den Nordwind
wie die Brüder denn auch,
deren Lust es, die Wolen zu jagen.
Notus nur ließ er im Raum
und der grimmige Vater des Regens
spannte zum Fluge nun aus
die endlos nur triefenden Schwingen.
Scharz war sein Antlitz wie Pech,
und es rauschte der Bart ihm von Güssen,
Ströme entbrausten dem Haar,
und die Strine umflorten ihm Nebel,
Tau ihm troff von der Brust,
und es floß ihm das Naß vom Gefieder,
und nun wild mit der Faus
er die wühlenden Wolken zerquetschte,
brachen die Donner schon los,
und es stürzten vom Himmel die Fluten,
während im farbigen Kleid
die himmlische Botin der Juno,
Iris, schöpfend noch half
und reichte den Wolken die Nahrung.
Da verdarb nund die Saat,
und im Nu ward dem Landmann zunichte,
was er vom Himmel erfleht
als Lohn für den Fleiß seiner Jahre.
Jupiter aber genügt
nicht der Aufruhr im eigenen Himmel,
und schon kommt ihm zu Hilfe
der Bruder mit al seinen Wogen.
Blau umbraust vom Gelock
versammelt er rasch seine Ströme,
und schon wälzt sich der Chor
ins Haus des erhabenen Herrschers.
Finster er donnert sie an:
"Hier bedarf es nun keiner Beratung!
Geht und raset drauf los
und verströmt euch mit jeglichem Strudel!
Das alleine tut not!
Reißt auf eurer Fluten Behausung,
und den Kräften in euch
laßt fürchterlich fahren die Zügel!"
Das der kurze Befehl.
und gehorsam sie rauschen zurück nun,
weitern den Quellen den Mund
und wälzen verstärkt sich zum Meere.
Ar aber selber nun schwingt
den alles erschütternden Dreizack,
daß die Erde sich klafft
eine Schlucht für die wüsten Gewässer.
Uferlos rasen die Ströme
dahin und ertränken die Felder,
reißen das Korn mit sich fort
und den Wein und das Vieh und die Menschen,
ja, die Häuser sogar
und samt den Penaten die Tempel.
Blieb auch ein Dach noch verschont
und hoffte, dem Unheil zu trotzen,
weil man so hoch es gebaut,
doch warf sich noch höher die Woge
im Strudel versank
der ragende Hochmut der Türme.
Bald war Erde und Meer
von einander durch nichts mehr geschieden,
nichts als rauschende See,
und nirgends man sah eine Küste.
Siehe da sucht sich ein Mensch
einen rettenden Hügel, ein andrer
rudert im flüchtenden Kahn,
wo gestern vielleicht er noch pflügte,
während ein dritter, den Sims
der versunk'nen Behausung umfahrend,
fängt sich den silbernen Fisch
im wiegenden Wipfel der Ulme.
Je nach Zufall verhakt
sich der Anker ins Grün der Wiese
oder es schrammt sich der Kiel
entlang an dem Riff eines Weinbergs,
ja, wo eben so schlank
sich Gräser gerupft noch die Ziegen,
tauchen jetzt träger empor
mit glotzenden Augen die Robben.
Nereus Tochter sie staunt,
von Hainen und Städten und Häusern
voll das Wasser zu sehn.
In den Wäldern sich tummeln Delphine,
springen durch hohes Geäst
und stoßen den Kopf sich an Eichen.
Friedlich schwimmt Wolf neben Schaf,
und es drehn sich die gelblichen Löwen
Tiger im Kreisel der Flut.
Was nützt nun dem Eber, daß einstmals
Kraft wie ein Blitz besaß?
und was helfen dem Hirsch seine Schenkel?
Suchend umsonst nun nach Land,
um ein Weilchen vom Fluge zu rasten,
stürzt mit ermattetem Leib
ins Meer der verlassene Vogel.
Also war rings nun das Meer
das Grab für die Erde geworden,
und nicht ruhte die Flut,
bis den letzten Berg sie erstiegen.
Alles, was Mensch, das ertrank -
bis auf zwei, die die Woge verschonte,
und auf der Welt nun allein
doch fristeten kaum sie das Leben.