44 Variationen Pferd

44 Variationen über das Thema „Pferd“

Auftakt

Zahlen zu verbuchen,
saß ich spät noch auf voll Wut,
da auf einmal, o die Glut,
Freude ungeheuer,
Pferd aus Feuer,
stürmtest du mir hoch im Blut,
groß dein Bild in Gott zu suchen!

Manchmal im Baß der Symphonie
hör' ich sie grollen, 
Rosse, die aufwärts wollen
aus verworrenem Vieh. 

Groß dann aus dunklem Geball
streun sie wie Feuer die Mähnen
und mit himmlischen Zähnen
wiehern empor sie ins All. 

Aber entmutigt hinab
tauchen sie wieder ins Dunkel, 
und wie fernes Gefunkel
stirbt in den Tiefen ihr Trab.

Wie Austern flach in Schwamm und Fett die Augen, 
drei Bürger, die Cigarren schräg im Munde, 
die Bäuche vorgewölbt bis hoch zum Schlunde, 
bereden sie, was dort die Fohlen taugen. 

Die aber, wie aus Gold gespielt die Glieder
und kurz gehalftert von zwei Pferdejungen, 
wiehern die Straße himmlisch auf und nieder, 
Blut in den Augen, Geifer auf den Zungen. 

Ein Wink. Sie stehn. Wir drängen uns und gaffen. 
Doch nun der Händler seine Peitsche hebt, 
o fühl's, wie Gott in diesen Pferden bebt
vor Wesen, die er sich zum Hohn geschaffen.

Der Regen perlt in dicken Schnüren
am Rumpf herab dem schwarzen Pferde, 
das wie im Spiegel aus der Erde
sieht hüpfend weiß sich Sterne schüren. 

Und wilder prasseln noch die Schauer, 
schon strömt es, Strähne über Strähne, 
dem Gaul in Güssen aus der Mähne
in qualvoll nachtdurchrauschter Trauer. 

Doch endlich hört es auf zu sprühen, 
und dampfend gleicht in seinem Trotze
das Tier gelöscht verkohltem Klotze, 
drin nur noch rot die Augen glühen.

Urweltzeit; 
am grauen Strande
zwischen Steinen liegt ein Stein. 

In der Dunkelheit
scheint er schweigend dort im Sande
groß ein Pferdekopf zu sein. 

Und der Urmensch schreit, 
schlägt mit seinem Beil am Rande
schwarz noch eine Nüster ein. 

Und von solchem Schlag befreit, 
schürt in ihm das Blut zum Brande
des Geschöpfes stummes Sein. 

Und voll dunkler Fruchtbarkeit
wiehert er dem Meer, dem Lande
seine Lust an diesem Stein.

Veröffentlicht in: „Der Kreis – Zeitschrift für künstlerische Kultur“
5. Jahrgang, 7. und 8. Heft, Seite 421)