Aphorismen

Aphorismen (1912 – 1930)

Veröffentlicht in „Jugend“ Nr. 9, 1920, Seite 218:
Das Wunder der Liebe - Quadrat und Kreis sind kongruent. 

Linien, die sich im Endlichen schneiden, schneiden sich noch einmal im Unendlichen. 

Der Mann - das in alle Weiten hinaussplitternde Polygon. 
Das Weib - der  in sich ruhende Kreis.
Zwei Möglichkeiten sind - entweder das Polygon ist dem Kreise einbeschrieben oder es ist ihm umschrieben - aber es bleibt sich gleich: im Unendlichen der Liebe decken sich beide. 

Ich - die sinnlose Flucht der Parabel. - Du und ich - das Gesetz der Hyperbel. Wir - das Wunder der Ellipse. 
Auf losen Faltblättern gefunden:
In tausend Büchern 
suchst du vergebens, 
last du nicht vorher 
im Buche des Lebens.

Kannst du nichts aus auf die Menschen fluchen, 
so hast du nichts bei ihnen zu suchen.

Menschen, die diese Welt verfluchen, 
mögen sich ruhig eine bessere suchen.

Du wirfst aus Vorsicht nicht mit Steinen, 
weil du Glashaus sitzt! 
O tu’ es grad, damit du bald 
die weite Welt als Haus besitzt.

Je dunkler der Weg durch des Lebens Nacht, 
desto heller das Ziel ihrer Sternenpracht.

Liegt wohl an dir, dass dir die Welt 
auch nicht im mindesten gefällt. 
Scheint’s doch, dass immer noch die Welt 
sich selbst und andern ganz gut gefällt.

Am Anfang war, was nie wird enden, 
dein Geist in Gottes Vaterhänden.

Warum schuf Gott uns aus zwei Zwiespaltsteilen? 
Wir sollen sie selber zu einem verheilen.

Eine lichte Stunde macht 
hell viel dunkler Jahre Nacht.

Bilde deine Träumerseele 
erst zu hartem Stahle aus, 
soll sie aus dem Stein der Welt 
Funken der Begeist’rung schlagen.

Für eine Krone hält der Esel seine Ohren. 
So sind nun einmal alle Toren.

Vor dem Lärme dieser Welt 
halte dir die Ohren zu - 
und manch innrer Sang erhellt 
deinen Geist und gibt ihm Ruh.

Ein Wesen lebt in uns, das treibt uns an, 
uns selber für ein Weib ganz zu vergessen - 
ein andres aber lebt in uns, das sehnt sich nur, 
sich selbst mit eines Weibes Hülfe satt zu fressen. 
Und beide heißen bei uns Männern Liebe.

Es ist kein Berg so groß - es folgt ihm irgendwann einmal 
zu friedlicher Ruhe ein friedliches Tal.

Mögen wir noch so sehr im Buche der Natur studieren, 
wir bleiben ewig stehn beim Buchstabieren.

Warum du kamst in dieses Leben? 
Darauf kann dir nur die Liebe Antwort geben.

Aus schlechtem Glas ein guter Wein 
büßt stark an seiner Güte ein. 
Der schönste Inhalt im Gedicht, 
geht, ist die Form nicht schön, zu nicht’.

Ein Meer, das alles verschlingt, 
um alles immer wieder zu gebären, 
das ist die Liebe, 
das ist Gott.

Wer nie in einem großen Menschen völlig unterging, 
wie kann der’s wagen, überhaupt 
das Wort Genie 
in seinen Mund zu nehmen.

Das ist’s, was den Dilettanten
vom wahren Dichter unterscheidet, 
dass er sich jegliches Erlebnis 
in Worte auflöst, 
während der andre 
zu Worten konzentriert.