Guirlanden um das Jahr

Guirlanden um das Jahr. Ihrer 7 an der Zahl.

Motto:
"Dies schrieb ich mir und schrieb ich dir
mit quasi zarten Buntspechtskielen
auf Krämer Thamms vergilbt Papier,
und wenn du eine alte Spieluhr hast,
so dreh‘ sie auf und lass sie spielen,
weil’s gut zu diesen Verslein passt,
doch tut’s auch schon
ein kleines Kindergrammophon
so du es hast." Fragment einer Epistel
Drei kleine Kalender für Stadt und Land I,
II und III
Kleiner Kalender für geruhsame Städter
Kleiner Tierkreiskalender
Der kleine Kalender liebevoller Erinnerung
Kleiner Schlusskalender
I
Januar

Der erste Tag im Januar
weht durch die Hand dir wie ein  Haar,
wie’s auch den andern allen
nicht anders wird gefallen.

Februar

Wozu aufs Fest denn aus dem Haus?
Ich zieh‘ als meine Frau mich an,
und sie in Hosen als mein Mann
leiht ihr Pantöffellchen mir aus.

März

Aus der Nacht der tausend Schläfer
Kriechen die Marienkäfer
Als die ersten aus der Erde
Gleich in einer ganzen Herde.

April

Schlecht bei Laune ist der Mann, 
ihre Launen hat die Frau, 
sehn sie bei April sich an,
lacht’s in ihnen wieder blau.

Mai
Ist wer im Mai geboren,
ward wem das Herz im Mai geweckt,
Waldmeister, ärmster, bist verloren,
weil der dich in die Bowle steckt.

Juni

Vergebens suchst du eine Maiker,
die holte schon im Mai der Deiker,
die Junikäfer klein und brav,
Maikäfer sind’s nur in Oktav.

Juli

Der Juli nach dem Cäsar heisst,
weil er gleich ihm ein Sengegeist,
da ist kein Kraut, das ungeprägt
nicht seines Sieges Siegel trägt.

August

Die ersten Äpfel reift August
Im dunkeln Laube bleich wie Wachs,
doch manchmal siehst du auch voll Lust
sich einen röten schon wie Lachs.

September

Tierchen, winzig, kaum zu nennen,
gibt es, himmlisch unbeschwerte,
Gräser, Gräschen auch, zu kennen
Viel zu klein für Grossgelehrte.

Oktober

Ich zünde mir die Pfeife an,
weil auch der Herbst ein Raucher ist,
was jetzt nicht reif "för Pütt un Pann",
das wandert auf den Mist.

November

Hei, es hat gefroren,
und ein Dreiklang ward geboren:
Grünkohl, Räucherrippe - und
Zwergkartoffeln zuckrig rund.

Dezember

Wer ihm von beiden lieber ist?
Im weissen Bart der Weihnachtsmann?
Im Goldgelock das Knäblein Christ?
Es staunt mein Kind sie beide an.

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II
Januar

Du grimmer Januarius,
du mischst mit Eis mir deinen Kuss,
durch  Flocken tanz‘ ich schlittschuhschnell,
es kracht der See wie Paukenfell.

Februar

Die Sonne lockt hervor den Igel
Aus seinem grauen Winterschlaf,
er denkt: "Ich Narr, es war ein Spiegel!"
und schlummert weiter hübsch und brav.

März
Aus schwerer Balje streut der Mann
Den Dung, den goldnen, übers Beet,
die Frau wie aus verhextem Tann
die letzten Grünkohlstrünke dreht.

April

Es tobt und wettert der April,
es weiß der Herr nicht, was er will,
hat Schnee und Sonne er versucht,
im Regenguss er weiterflucht.

Mai
Vom blauen Himmel stürzt das Licht
Und strömt mir über das Gesicht,
ein Vogel zwitschert mir durchs Haar,
o Welt, wie bist du wunderbar!

Juni
Der Ziegenmelker schnurrt und schreit.
Halb Eule und halb Fledermaus
Umfliegt er schattenhaft das Haus
Im leisten Licht der Junizeit.

Juli

Juli ist der große Ofen,
drin es bräunt und bäckt und brät,
wärmste all der schönen Strophen,
die dem Dichter Gott gerät. 

August
Es geistern durch die große Reife
Die Schwingen der Melancholie,
soviel ich mir auch Früchte greife
der Wege nächsten weiß man nie.

September

Lauter noch die Vögel lärmen,
nun die ersten Drachen steigen,
über ihren schwarzen Schwärmen
reift ein ungeheures Schweigen.

Oktober

Im Nebel will die Welt verschweben,
der Mond mag keine Stoppeln sehn,
und mit den letzten Spinngeweben
will alles nun zu Ende gehen. 

November

Puter, du mit der Krawatte,
auf den Markt wirst du gebracht,
und der Schnee, der erste matte,
küsst den Rumpf dir schmelzend sacht.

Dezember

Seht, es ist nicht ewig Nacht -
Ging uns auch die Welt verloren,
heut uns ward ein Kind geboren
wie ein Licht im dunkeln Schacht.

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III
Januar

Die heiligen drei Könige,
die husten und schnupfen gar sehr,
und wenn das innere Licht nicht wär‘,
erfrören ihnen die Zeh‘!

Februar

Ein warmer Tag im Februar
Weckt eine ganze Geisterschar,
o kurzer Trug, der Mückenreigen
muss rasch zurück ins kalte Schweigen.

März

Der Primel macht nun Platz die Aster,
die Marmeln stoßen sich im Kreis,
die Kreisel hüpfen übers Pflaster,
und selbst den Alten wird es heiss.

April

Walfisch hat ihn aufgschluckt,
Walfisch wieder ausgespuckt,
Jonas, was ich sagen will,
hieß der Walfisch wohl April?

Mai

Den Kuckuck sah ich heut im Zoo,
da hab‘ ich mir mein Teil gedacht,
mir war, als hätte irgendwo
der richtige mich ausgelacht.

Juni

Schneller! Schneller! Mahnt das Leben.
Um den Preis von einem Heller
Will sich alles überschweben
In dem Sausen der Propeller.

Juli

Der Vogelscheuche auf den Hut
Setzt sich der Buchfink frech und satt,
das Flurgespenst von all der Glut
nun richtig einen Vogel hat.

August

Augustus hieß der Mächtige,
und heut noch hat er Macht,
und sieht sich um der Prächtige,
ist eine Welt vollbracht. 

September

Bläst weiße Wölkchen in die Höh‘
Septemberlich Jakobus,
setzt sich aufs Haupt den Kranz von Schnee
der winterliche Globus.

Oktober

Die Tür geht auf, es riecht nach Rauch,
im Riesenmond der Lampenhelle
wie Kupfer glänzt des Pferdes Bauch,
ein Wiesel flüchtet um die Schwelle.

November

Wo mit dem Tod das Leben spricht,
zum Friedhof zieht es Herz und Sinn,
und schluchzend nimmt so mancher hin 
vom Toten noch ein tröstlich Licht.

Dezember

Holde Zweite, lasst euch biegen,
dass ich Engelshaar euch flechte,
wollt mir sanft die Kringel wiegen
knisternd in der Nacht der Nächte.

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IV Kleiner Kalender für geruhsame Städter

Januar

Will mir doch ein Guckloch
In des Fensters Zackenwald,
ach die armen roten Nasen! -
gottseidank, mein Ofen knallt!

Februar

Musst dich in den Trubel stürzen,
toller Kette gleiches Glied,
denn man kann die Welt nicht würzen
maskenlos als "Störenfried"!

März

"Kätzchen" bringen schon die Kinder
aus dem Frühling in die Stadt,
hat der Herr dort im Zylinder
denn den Winter noch nicht satt?

April

Und hält die Nadel noch so fest
Den Hut in der Perücke,
es bläst April aus Nord und West
ihn doch noch von der Brücke.

Mai

Es hält die alte Straßenbahn
Für Schlangen die Geleise,
die will sie jagen wie ein Schwan,
vom Mai geschwenkt im Kreise.

Juni

Ich kauf‘ mir einen Luftballon
Und lass‘ ins Licht ihn fliegen -
Kann man für einen Taler schon
Doch ihrer dreißig kriegen!

Juli

Der Asphalt wellt sich wie das Meer.
Was kehret ihr der Stadt den Rücken?
Hier könnt ihr euch, o kommt doch her,
an einem Schwefelsee entzücken!

August

Wie sollt‘ ich wohl die Stadt verlassen?
Auf allen Karren reift das Obst,
und wie du auch dein Kurhaus lobst,
der Friede wohnt in diesen Gassen.

September

Der dumme Urlaub ist zu Ende,
den Schreiber treibt es ins Büro,
der arme Kerls ist ohne Wände,
was ohne Hemd ein dito Floh.

Oktober

Mich lockt, ein leichtergrauter Ober
Im würdevollen Schwalbenrock,
ins alte Gasthaus der Oktober
und setzt mir auf den Tisch den Grogk.

November

Man abonniert ein bisschen Traum
Zur Winterszeit im Opernhaus,
kaminhaft glüht’s im Bühnenraum,
und festlich schwirrt "Die Fledermaus".

Dezember

Eisnadeln singen weiß im Wind,
ein Auto knirscht vorbei im Schnee,
dem Weihnachtsmanne wird so weh -
wo blieb die Zeit, da er noch Kind?

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V Kleiner Tierkreiskalender

Januar

Der ersten Menschheitstage,
der Sintflut denkt "der Wassermann",
noch heut‘ erschöpft von all der Plage
leert er sein Fass nur dann und wann. 

Februar

Bis an den Himmel sprang die Flut,
noch sieht man dort "Die Fische" -
die quält nicht Sorge um die Brut
noch um den Aal bei Tische.

März

"Der Widder" gibt dem Monat März
die herbe, die verhaltne Kraft,
neu pumpt durchs alte Erdenherz
sich Mensch,Getier und Baum voll Saft.

April

Und mag es noch so toben
Im irdischen Revier,
nicht regt sich auf dort oben
im himmlischen "Der Stier"-

Mai

Wie Kirschen zwo am Stengel
Hat Mai im Wappenschild
"Die Zwillinge", die Bengel,
der Eintracht holdes Bild.

Juni

Der längste Tag muss enden,
die Grille selbst wird still,
es muss das Jahr sich wenden,
wenn es "Der Krebs" so will. 

Juli

"Der Löwe" lacht, es wallt dem Feld
des Kornes windgekämmte Mähne,
und noch durchs Ärmste dieser Welt
zieht jetzt sich eine goldne Strähne.

August

Im Stoppelfeld ein leeres Nest.
Im Dorfkrug Horn und Geige.
"Die Jungfrau" kommt zum Erntefest
mit ihrem Palmenzweige. 

September

O Jubel oder Klage
Die tausend Halme schnitt,
in Gottes Hand "Die Waage"
wägt alles heimlich mit. 

Oktober

Noch reift die Traube,
und neu doch wät man schon,
neu regt sich alter Glaube,
alt wie "Der Skorpion"

November

Am Himmel kniet "Der Schütze"
Da macht’s der Mensch ihm nach
Mit seiner grünen Mütze
Und seinem Bleigekrach. 

Dezember

Ein großes Schlachtfest ist auf Erden,
es fallen Truthahn, Gans und Schwein.
Ob Tränen drum vergossen werden?
"Der Steinbock" glitzert wie aus Stein.

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VI Der kleine Kalender liebevoller Erinnerung

Im besonderen meiner Frau und meinen Kindern gewidmet

Januar

Mit unsern süßen Kleinen seh‘
Ich winken dich aus leiser Ferne,
und weich verliert ihr euch im Schnee
wie längst auf einem andern Sterne.

Februar

Verwest mir wär‘ es schon im Staube,
versiecht mir schon sein schaler Rest,
doch denk ich deiner Perlenhaube,
tanzt mir noch heut durchs Herz das Fest.

März

Wir schlichen uns in kleine Haus,
das Mäuschen schlüfte rasch ins Loch,
am Boden stand die Pfanne noch
von unserm letzten Gartenschmaus.

April

Wir küssten uns wie toll
Den Sonntag im April,
recht wie der Sturm, der wundervoll
darf machen, was er will. 

Mai

O, weißt du noch die helle Nacht,
da wir kein Auge zugemacht,
da wie Verirrte wir gewohnt
im Perlenhäuschen auf dem Mond?!

Juni

Dein Tüchlein grüßt wie eine Taube
Vom schwarzen Waldrand zu mir her,
fort muss ich, fort im heißen Staube,
und, ach, dein Tüchlein winkt nicht mehr!

Juli

Du stellst die Rose mir ins Glas,
o du geliebte Frau,
und so wie sie benetzt der Thau,
macht dir das Glück die Wange nass.

August

Im Schülermützchen sah ich dich,
hatt‘ nichts als dich im Kopf,
der ganze Jahrmarkt drehte sich
um deinen Mozartzopf.

September

Ich durfte solange als Blume dich haben,
als Blume voll leuchtenden Lichts,
und darf nun noch wärmer am Anblick mich laben
deines apfelhaft schönen Gesichts

Oktober

Nun ist dein Erster schon dabei
Im Zuge der Laterne
Und singt sie mit, die Melodei,
von Sonne; Mond und Sterne.

November

Ich sehe deinen armen Rücken
Sich zu den lieben Gräbern bücken,
und Blumen, Blumen müssen sprießen,
wo soviel warme Tränen fließen.

Dezember

Du zündest mir die Kerze an,
und lächelnd aus der Kugeln Blau
nennst du mich deinen lieben Mann,
du Mutter, Schwester mir und Frau.

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VII Kleiner Schlusskalender

Januar

Schnee macht alles watteleise,
Mond durchblitzt die Dämmerung,
und der Schlittschuh furcht im Eise
für die Fischlein einen Sprung. 

Februar

Narren tanzen durch die Gassen,
Kinder flüchten sich erschreckt,
in der Maske doch, der blassen, 
hält Natur sich noch versteckt.

März

März hat feine Fingerspitzen,
Ahnung auch und Witterung
Für die Sterne, die da blitzen
Um den Frühling schön und jung.

April

Äste splittern, Hüte fliegen,
Schnee und Regen weicht den Schuh,
einen Schnupfen kann man kriegen,
und die Sonne lacht dazu.

Mai

Blumen, Käfer, Schmetterlinge
Locken dich hinaus ins Licht,
und der Wind legt seine Schlinge
zärtlich blau dir ums Gesicht. 

Juni

Tausend Wunder siehst du wachsen,
die dein Auge nimmer fasst,
und der Landmann schmiert die Achsen,
rechnend schon mit schwerer Last. 

Juli

Juli wölbt den Regenbogen
Übers heiß durchzirpte Feld,
Wald und Meer hat gleiche Wogen,
gleiche Wogen hat die Welt.

August

Auf den Feldern tuscheln Garben,
um den Dorfteich gilbt das Gras,
alter Baum hat neue Narben,
Heuschreck springt dem Gast ins Glas.

September

Täglich kürzer wird die Helle,
doch die Wolle wächst dem Schaf,
manchem Baum sind hundert Bälle
rosenrot gereift im Schlaf.

Oktober

Öfters an den feisten Schwarten
Fühlt das Schwein sich nun gekraut,
müd‘ der Arbeit raucht der Garten,
was er anders nicht verdaut.

November

Längst im Schuppen schläft der Spaten,
und du oliest ein Buch in Ruh,
zwitschernd in der Röhre braten
Äpfel ihren Duft dir zu.

Dezember

Zeit, bist du’s. bin ich’s, der fliege?
In der Monde Rosenkranz
Wieder überm Kind der Wiege
Schwebt des Weihnachtssternes Glanz.

Summa Summarum:
addatur (= hinzufügen, ergänzen)
hac mente (= hier Geist)
ad infinitum (= bis zu unbegrenzt).

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