Chopin

Chopin, ein Gedicht in Etüden, 1925

Dem Gedächtnis meines Vaters

Herausgegeben 1975 von Frieda Lange-Dudler im Christians-Verlag


In Wellen auf und ab die Tasten
aus Ebenholz und Elfenbein,
und unterm schwarz gehißten Flügel
entblößt die Nerven aus Metall,
den Hämmern und den Hebeln Antwort tönend,
und schaudernd spürt es seinen Meister,
Webstuhl der Klänge, das Klavier.

Chopin: 15


Suche ich, wo
in der Reihe der Geister
dir vergleichbare Meister,
ist es nur einer,
in der Sprache Rimbaud,
in der Farbe noch keiner!

Chopin: 38


Aber sein Herz
hat man bei Nacht
nach Warschau gebracht
in kostbarem Erz.

Dort glüht es voll Glockenläuts
in der Kirche zum heiligen Kreuz
im Kerzenglanz
eine hehre Monstranz.

Von Sphären umtönt
ein heiliger Gral,
der national
Nationen versöhnt.

Chopin: 43


Nachwort von Frieda Lange-Dudler:
„Beim Erscheinen dieser kleinen Dichtung „Chopin“ von Carl Albert Lange muß ich in Dankbarkeit meiner vor einiger Zeit verstorbenen Freundin, der Polin Dr. Ludmiła Sługocka, gedenken, Dozentin für Germanistik an der Universität Poznań. Sie hat die erste größere schriftliche Arbeit über Leben und Werk Carl Albert Langes – besonders über seinen „Chopin“ – in deutscher und polnischer Sprache geschrieben, und ihr Wunsch war, diese Dichtung kongenial auch in die polnische Sprache übertragen zu lassen. Ihr plötzlicher Tod im Ausland hat diesen Wunsch zunichte gemacht.“